Entwurf IRGE SoSe 23

Angesichts knapper Ressourcen und getrieben durch das Gebot des angemessenen Handelns gerät eine räumliche Opulenz zunehmend unter moralischen Verdacht. Gebaute Räume bedürfen mehr denn je, der funktionalen, ökologischen und ökonomischen Plausibilisierung. Der Verlust der räumlichen Fassade und die Tendenz zur glatten Fläche, mit im Grund- und Aufriss minimalem Flächenverbrauch bei maximaler zu verwertender Nutzfläche ist auch ein Resultat baurechtlicher Vorgaben und enorm hoher Preise für den Grund und Boden in den Metropolen.

Raumhaltige Wände und Fassaden sind aber ein wesentlicher Bestandteil der Baukultur. Sie setzen Bauwerke auf vielfältige Weise in Bezug zu ihrer Umgebung. Die plastisch ausgebildeten Raumschichten dienen nicht nur der ästhetischen Gestaltung und Ikonografie von Hüllen, sondern erzeugen vielfältige funktional nutzbare und sozial wirksame Übergänge von außen nach innen und vom öffentlichen in den privaten Raum. Sie ermöglichen zudem Orte des Austausches von Passanten und Nutzerinnen des Gebauten. In die Tiefe gehen bzw. an der Oberfläche bleiben, beschreibt im übertragenen Wortsinn nicht nur prozessual, sondern auch räumlich qualitativ die architektonische Gestalt.

Zugleich wird die Notwendigkeit dieser raumbildenden Elemente nicht nur aus ökonomischen, sondern auch technischen, den Unterhalt und die Sicherheit betreffenden Gründen stetig hinterfragt und nicht erst heutzutage aus architektonischen Konzepten gekürzt oder von vorneherein verbannt. Durch stetige Optimierungs-prozesse droht damit ein wesentliches Charakteristikum von Architektur, die Plastizität, zu verschwinden.

Im Entwurf möchten wir uns mit den Teilnehmenden den Qualitäten und vielfältigen Ausbildungen von raumhaltigen Fassaden widmen und zunächst historische Schlüsselwerke bis zu Beginn unseres Jahrhunderts analysieren.

In der zweiten Phase sollen eigene Entwurfsbeiträge entstehen, die das zeitgenössische architektonische Potenzial für eine alltägliche, aktuell relevante Bauaufgabe an einem konkreten Ort aufzeigen.