METERWARE

Yigit Büyük Akgül | Susan Auf der Maur

In den Städten von heute kann eine klare Trennung zwischen Wohnen und Arbeiten ausgemacht werden. Unsere Innenstädte dienen größtenteils dem Konsum und Einzelhandel. Das städtische Arbeiten findet überwiegend im nicht produzierenden Gewerbe statt. Die produzierenden Gewerbe liegen in der Regel in den sogenannten Gewerbegebieten außerhalb des Stadtzentrums. Diese sind im Sinne des Städtebaurechts ein besonders ausgewiesenes Gebiet einer Gemeinde, in dem vorwiegend Gewerbebetriebe zulässig sind. In der Regel führt eine Ausweisung zum Gewerbegebiet zu einer Zunahme des motorisierten Verkehrs, da Arbeitsstellen nur mit Hilfe individueller (z.B. PKW) oder kollektiver (z.B. Bus) Verkehrsmittel zu erreichen sind. Hinzu kommen Transportflüsse von Ware oder Kunden. Daher prägen Straßenräume sowie Parkflächen unsere Gewerbegebiete. Zusätzlich können in der Produktion störende Einflüsse wie Lärm, Gerüche oder gar Gefahren entstehen, welche nicht mit dem Nutzen des Wohnens kompatibel zu sein scheinen.

Immer geringer und teurer werdende städtische Wohnflächen, sowie andere Gesellschaftsrelevante Faktoren wie Klimaerwärmung, Demografischer Wandel oder die Digitalisierung, werfen allerdings die Frage auf, wie unsere Städte in Zukunft aussehen müssen. Eine räumliche Trennung zwischen Bereichen wie Wohnen oder Arbeiten scheint nicht mehr die Antwort zu sein. Durch kompaktere Quartiere mit einer vielfältigen Nutzung, entstehen einerseits kürzere (Arbeits-) Wege und somit weniger Emissionen der einzelnen. Zusätzlich erfüllen diverse Nutzungen verschiedene Bedürfnisse und könnten somit die Lebensqualität des städtischen Lebens neu definieren.

Städtebaulich erscheint der Entwurf "Meterware" als vier, teilweise mäandrierende Stränge, welche zwischen sich verschiedene Freiräume aufspannen. Somit entstehen einerseits sogenannte Werkhöfe, welche einen effektiven Arbeitsablauf sowie betriebliche Synergien zu lassen, gleichzeitig aber auch eine repräsentative Seite, welche die Gewerbe für Besucher bzw. Kunden zugänglich machen und den Unternehmen die Möglichkeit bieten sich nach Außen hin zu vertreten. Dadurch wird die zentrale "Fußgängerzone" des Quartiers durch die diversen Gewerbe bespielt und belebt. Zusatznutzen an den Eckpunkten der mäandrierenden Stränge, beherbergen allgemeine Nutzungen wie Nahversorgung, Gastronomie, Kita oder Gemeinschaftsräume zur Stärkung der Zusammengehörigkeit innerhalb des Quartiers. Ein Hochpunkt am Quartierseingang im Nord-Osten sorgt für eine Verbindung zur bestehenden Stadt Fellbach und stellt einen Orientierungspunkt dar, während Räumlichkeiten für Start- Up's, Co-Working oder Aktivitäten wie Fitness oder Squash zur Verfügung gestellt werden.

Um möglichst vielen verschiedenen Anforderungen gerecht zu werden, stellt die Flexibilität einen wesentlichen Leitgedanken des Entwurfes dar. Daher resultiert die Gesamtform des Entwurfes aus einem Grundmodul mit den Maßen 5m x 20m. Somit entstehen einzelne Einheiten mit einer Grundfläche von 100m2, welche beliebig oft, je nach bedarf, wie Meterware gekauft werden können. Somit können in dem Quartier einerseits Gewerbe mit unterschiedlichsten Größen unterkommen, andererseits ist die Flexibilität in Zukunft, beispielsweise bei betrieblicher Expansion, gewährleistet. Des Weiteren verfügen die Module über eine lichte Raumhöhe von 7m und werden über ein Sheddach von oben belichtet. Dadurch ist es möglich nicht nur in der horizontalen eine Flexibilität zu generieren, sondern ebenso in der vertikalen, da zusätzlich Geschosse ergänzt werden können.

Durch die leicht überdimensionierte Fachwerkträger-Konstruktion aus Brettschichtholz, lassen sich die Gewerbeeinheiten zusätzlich mit Wohnungen aufstocken. Auch diese können je nach Bedarf und Größenanforderungen gestaltet werden.

Für die Fassade sind lediglich eine vertikale Holzlattung, so wie eine Grundgliederung vorgesehen. Wie die Fassade ausgestaltet wird, ist somit den einzelnen Gewerben überlassen und lässt Raum zur Individualität. Um das Erscheinungsbild der verschiedenen Fassaden zu einigen, wird die Fassade in Richtung Fußgängerzone um ein Vordach ergänzt, welches zusätzlich vor Witterung schützt.

Folglich stellt der Entwurf einen Vorschlag dar, wie mit einem gleichbleibenden System verschiedene Anforderungen, im Bezug auf Wohnen und Arbeiten, erfüllt werden können.

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