Isole della Comunità | Venezia
Entwurf IRGE WS 21/22
Einen Meter über dem Meeresspiegel liegend, fragil und stabil zugleich, Jahrhunderte den Elementen und Touristenströmen in besonderer Weise ausgesetzt, ist die Stadt Venedig eine Überlebenskünstlerin. Vermeintlich dem Untergang geweiht, zeigt sie sich als ein nach wie vor unbeugsamer Organismus mit einer selbstverständlichen, mystischen Souveränität.
Venedig scheint widerständig gegenüber Modernisierungstendenzen zu sein, kultiviert das Nostalgische und wirkt gerade deshalb doch hilflos gegenüber den Auswüchsen eines globalisierten Tourismus, der das, was er sucht, zerstört. Die Pandemie legt nun ein anderes Bild von Venedig frei, die Verhältnisse der räumlichen Besetzung kehren sich um und ein Stadtbiotop kommt zum Vorschein, dessen stadträumlichen und baulichen Qualitäten bei genauerer Betrachtung vorbildhaft sein können für die Fragestellung: „How will we live together“, dem Titel der diesjährigen Biennale.
Die Stadt selbst hat, bedingt durch ihre Lage in der Lagune, weder fließenden noch ruhenden Autoverkehr. Sie ist in ihrer ursprünglichen Konstruktion frei von Beton und fundamentiert sich auf Millionen von Holzpfählen deren Aufbauten, aus Gründen einer eingeschränkten Belastung, dem Leichtbau verpflichtet sind. Die Materialien stammen vom Festland oder von den Mittelmeeranrainern Slowenien, Kroatien und Montenegro und wurden mit dem Boot nach Venedig gebracht. Aber nicht nur die bautechnischen und verkehrstechnischen Lösungen erscheinen beispielgebend, auch die stadträumliche Entwicklung Venedigs, in Form von dicht nebeneinander koexistierenden kleinen sozialen Entitäten, ist Vorläufer aktueller Diskurse über zukünftig mögliche, die Gemeinschaft und Identität fördernde, städtische Typologien. Venedig, eine Stadt der Zukunft?
Wir wollen gemeinsam den Mythos dechiffrieren und schauen mit einem unverstellten Blick auf Venedig als funktionale, technologische und atmosphärische Quelle für ein umweltverträgliches, sozial gerechtes und kulturell wirksames Bauen für die Venezianer selbst.