Architektur und Täuschung
Ludwig Alber Müller
Der Auslöser für meine Arbeit fand während eines Spaziergangs durch Basel statt. Unweit von Basels Bahnhof SBB befindet sich der Hauptsitz des Schweizer Versicherungskonzerns Bâloise Holding AG. Für etwa 600 Mitarbeiter soll der Arbeitsplatz neu gestaltet werden, wofür 3 neue Bürogebäude von Miller Maranta, Valerio Olgiati und Diener&Diener geplant und gebaut werden.
Über einen längeren Zeitraum verfolgte ich die Entstehung der imposanten Häuser. Das 90 Meter hohe Hochhaus von Miller Maranta fiel mir besonders ins Auge und liess mich über die aktuelle Architekturtendenz nachdenken. Es steht für mich als Archetyp meiner Generation.
Ich beobachtete, wie der Rohbau Stockwerk für Stockwerk wuchs. Zeitgleich begann man in den untersten Geschossen das Haus zu isolieren. Die benötigten Gläser, Dämmungen und Abdichtungen wurden appliziert. Das Haus erhielt somit alle benötigten bauphysikalische Komponenten um, als Haus funktionieren zu können, damit meine ich die Bekleidung, ein „fertiges“ Haus sozusagen.
Mit Sicherheit wird sich ein Unternehmen nicht als bekleideter Rohbau präsentieren. Was also fehlt, ist ein Gesicht. Ein Gesicht, welches das Image abgibt. Es fehlt die Verkleidung. Die Maske, welche am geeignetsten die Unternehmensphilosophie widerspiegelt. Die sichtbare Fassade nimmt also nicht die Rolle der schützenden Bekleidung ein, sondern ist eher Vermittler eines gewünschten Bildes.
Bin ich somit bei der Gestaltung der ausdruckgebenden Oberfläche als Architekt nicht frei? - Ja, sind wir.
Architektur wird über Publikationen, Fotografien und Instagram kommuniziert und verbreitet. Sie entwickelt sich von etwas räumlich erlebbaren zu einer zweidimensionalen Bildkunst. Im Bild ist es egal, woraus das abgebildete besteht, solange es als „echt“ scheint. Es geht um den Anschein, den ein Haus abgibt.
In meiner Arbeit Maskenball habe ich mich der Frage gewidmet, was also mit architektonischen Elementen passiert, die ihre physischen Eigenschaften (Geruch, Gewicht, Wert, Farbton...) verlieren und sich zum reinen Bild entwickeln. Es entstanden Abdrücke von Türen, Oberflächen, Fassaden, Böden, u. v. m.. die nur noch eine jämmerliche Gestalt von sich selbst abgeben. Alles entwickelt sich zum nutzlosen und wird somit entfremdet. Die Abdrücke wurden zusammenhangslos zu einem 12 Meter langen und 3 Meter hohen Textil zusammengefügt und von einer Konstruktion abgehängt, um die Abdrücke als Bildoberfläche räumlich erlebbar zu machen.