Eigentlich : Eigenheim
Masterarbeit WS 19/20 | Eva Hanewinckel, Jan Voigt
Trotz zahlreicher Krisen und einer fortschreitenden globalen Urbanisierung ist in Deutschland der Wunsch nach dem Eigenheim nach wie vor ungebrochen. Immer weiter dehnen sich die Neubaugebiete aus, greifen auf die Landschaft über und treiben die Zersiedelung und eine damit einhergehende Flächenversiegelung voran. Getragen ist dieser Trend unter anderem von der aktuellen Niedrigzins-Entwicklung und zahlreichen weichen Faktoren, wie bspw. der Sehnsucht nach Selbstverwirklichung und Identität. Traumhäuser aus dem Katalog, schlüsselfertig aufgestellt, Wüsten aus Putz und Steingärten, Dachpfannenindividualität in glasiertem Blau, Schwarz, Rot oder Grün. Doch woher kommt diese Entwicklung? Dieses desillusionierte Nebeneinanderstellen und Aneinanderreihen von vermeintlicher Individualität? Findet sich hierin der zugespitzte Ausdruck der Misere der deutschen Baukultur? Und was könnte zukünftig vielleicht anders gemacht werden?
Diese Abschlussarbeit geht in einer einleitenden theoretischen Arbeit, welche auf den Namen Eigenart: Eigenheim getauft wurde den Ursachen des Kontext, des Objekts und des Bewohners auf den Grund. Der zweite Teil des Projektes widmet sich einem Entwurfsansatz in Dinkelsbühl. Aus der Analyse haben wir Erkenntnissen gewonnen, aus denen wir fünf Punkte ableiten haben und welche hier exemplarisch auf die anschließende, Eigentlich: Eigenheim betitelte, konzeptionelle Entwurfsaufgabe angewendet werden.
1. Die Zersiedelung muss gestoppt werden: Um ein weiteres Ausfransen der Ränder einzudämmen, wurde nach einer innerörtlichen Freifläche gesucht, welche im Bebauungsplan bereits als Wohngebiet ausgewiesen ist, aber noch nicht bebaut wurde.
2. Die gefühlte Alternativlosigkeit des derzeitigen Ausdrucks des Eigenheims sollte erwidert werden: Durch die Auslagerung aller vergemeinschaftbaren Flächen kann kompakter gebaut werden. Damit darunter nicht die Privatsphäre leidet, teilen sich alle Bauplätze eine richtunggebende, Adressgebende Struktur, welche den Zwischenraum definiert und vor Blicken schützt. Eine feste Baulinie zwischen den Grundstücken und eine Baugrenze innerhalb der Grundstücke verleiht den Bauherren Planungssicherheit. Eine Wohnstruktur am Dorfplatz soll der Rotation im Gebiet zuträglich sein und Wohnraum für junge, alte oder schrumpfende Haushalte bieten.
3. Die Bewohner sollen im Mittelpunkt stehen: Durch die Adressgebende Struktur beeinflussen individuelle Entscheidungen der Bauherren nicht das Quartiersbild. Dadurch sind der persönlichen Entfaltung wenig Grenzen gesetzt. Die Struktur symbolisiert Zusammengehörigkeit. Durch eine strenge Zäsur zwischen absoluter Privatheit auf den Grundstücken und maximaler Öffentlichkeit in den Zwischenräumen werden letztere belebt.
4. Aktuelle Verkehrskonzepte müssen überdacht werden: Mit Anreizen soll der Fußgänger- und Fahrradverkehr gefördert werden. Das Parken ist in Form einer Tiefgarage zentralisiert. Direkt daran angeschlossen befindet sich der neu geschaffene Bahnhalt Dinkelsbühl Nord/Altstadt, welcher durch die Reaktivierung der Regionalbahn im jetzigen Jahrzehnt bedient werden kann.
5. Die Architekturkommunikation muss überdacht werden: Das Erstellen einer gebauten Struktur und die Umnutzung des Bestands machen das räumliche Gefüge auch für Laien verständlich und erlebbar – ein Aspekt, welcher klassischen Bebauungsplänen fremd ist.
Gesteht dem Eigenheim seine Eigenarten zu, doch lasst uns die Herangehensweise überdenken!