Die Tyrannei der Intimität - Neubad Luzern
Bachelorarbeit | Johnny J. Y. Kim und Amir Tabatabei | SoSe 18
„Kaum jemand würde heutzutage behaupten, sein Seelenleben sei unabhängig von gesellschaftlichen Bedingungen und Einflüssen aus der Umgebung. Gleichwohl gilt es als so kostbar und zerbrechlich, dass es nur gedeihen kann, wenn es geschützt und isoliert wird. Jedem einzelnen ist das eigene Selbst zur Hauptbürde geworden.” – aus „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens” von Richard Sennett
Wir fragen uns, ob die Architektur nicht dazu instrumentalisiert werden kann, ein bestimmtes zwischenmenschliches Benehmen und eine Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Geschehen zu aktivieren und darüberhinaus zu intensivieren. Die harte Grenze zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre soll dabei aufgelöst werden. Wir glauben daran, dass wir als Architekten Räume kreieren müssen, die informelle Begegnungen ermöglichen, aus denen Beziehungen und Verbindlichkeiten in der Gesellschaft erwachsen können. Denn sie sind der Keim für soziale, politische und künstlerische Handlungen.
Das Luzerner „Neubad-Netzwerk“ ist der größte und der beliebteste Begegnungsraum der Stadt Luzern. Der Ort, welcher Ateliers und Co-Workingarbeitsplätze, allgemein zugängliche Labors und Werkstätten, einen Veranstaltungsort im ehemaligen Schwimmbecken und einen Gastronomiebereich umfasst, steht einer Vielfalt von internen und externen Nutzenden offen. Im Zentrum stehen die Förderung von Interdisziplinarität und die Schaffung von Netzwerken, die in Kombination mit dem Raum Kreativität und damit auch Innovation fördern sollen. Für Luzern und die Zentralschweiz und wahrscheinlich auch überregional ist dieser Ansatz neu und einzigartig. Nun soll das Neubad-Netzwerk im Zuge der neuen Stadtplanung Luzern für gemeinnützige Wohnungen abgerissen werden. Wir haben uns die Aufgabe gestellt die beiden Konträren, die bestehende Idee des Neubads und die erwünschte Wohngemeinde, in einem Entwurf zusammenzuführen. Dabei stand für uns nicht der Erhalt einer baulichen Struktur, sondern das einer Idee im Vordergrund. Das Luzerner Neubad-Netzwerk liegt im Steghofquartier im Süden der Stadt zwischen der Biregg- und Kleinmattstraße, genau zwischen dem öffentlichen Vorplatz des Steghofquartiers und das dahinterliegende heimelige Privatleben der Luzerner.
„Die Schwelle liefert den Schlüssel zum Übergang von Bereichen mit unterschiedlichem territorialem Anspruch und deren Verbindung; als Raum per se bildet sie die wichtigste räumliche Voraussetzung (conditio) für die Begegnung und den Dialog von Bereichen unterschiedlicher Ordnung. Die Bedeutung des Begriffs wird am deutlichsten in der eigentlichen Schwelle, dem Eingang zu einem Haus. Hier handelt es sich um die Begegnung und Versöhnung von Straße und Privatbereich.” – Herman Hertzberger
Das neue Erschließungskonzept durchbricht die trennenden Stockwerke und löst nicht nur das übliche Treppenhaus, sondern auch die Kubatur im Inneren des Gebäudes. Das Gesamtkomplex besteht aus privaten Wohnungen und der öffentlichen Kultur. Diese zwei zunächst Konträren werden verbunden und gleichermaßen getrennt durch verschachtelte Zwischenräume in Form ausgedehnter Treppenanlage.